Produktentwicklung: Über den Tellerrand blicken

Product Development

Jurjen Vellinga ist Leiter der Produktentwicklung bei DOCKR, einem niederländischen Dienstleister, der Unternehmen auf flexibler Abo-Basis Lastenräder und leichte Elektrofahrzeuge zur Verfügung stellt. Jurjen ist bekennender Fahrradfreak, doch hinter seiner lockeren Art verbirgt sich eine bedingungslose Liebe zum Detail. Dank dieser ist es ihm gelungen, in seiner kurzen Zeit bei DOCKR bereits mehrere wirkungsvolle Designprojekte zu verwirklichen. Wir haben uns mit Jurjen über einige Innovationen unterhalten, auf die er am meisten stolz ist, und wollten wissen, was diese für Kunden von DOCKR und die Lastenrad-Branche an sich bedeuten.

Verbesserte Fahrräder

Mit sechzehn Jahren Erfahrung in der Fahrradbranche und im Ingenieurwesen ist Jurjen Vellinga bestens auf seine neue Funktion vorbereitet, die er im Dezember 2021 angetreten hat. In dieser arbeitet er eng mit dem Mitbegründer und Leiter der Produkt- und Innovationsabteilung Kees-Jan Blankestijn zusammen, der mit den Kunden in Verbindung steht und einen besseren Überblick hat. Jurjen beschreibt seinen Aufgabenbereich als „das sich kümmern um praktische Dinge“ – mit anderen Worten: die Details.

Als DOCKR 2018 auf der Bildfläche erschien, war das Konzept des Unternehmens einzigartig, was zu stetigem Wachstum führte. Mittlerweile sind in Deutschland, den Niederlanden und Belgien über 150 Kunden mit mehr als 3.000 Lastenrädern und leichten Elektrofahrzeugen unterwegs. Und es gibt Pläne, in weitere Länder zu expandieren. Das DOCKR-Konzept stellt an Lastenräder andere Anforderungen als an herkömmlich verkaufte bzw. geleaste Räder. DOCKR-Kunden erwarten nicht nur Flexibilität, sondern auch minimale Ausfallzeiten. Die Aufgabe von DOCKR ist daher dafür zu sorgen, dass die Fahrzeuge jederzeit störungsfrei funktionieren.

Für den Arbeitsalltag heißt das: maßgeschneiderte Lösungen, die noch langlebiger sind als die sowieso schon hervorragenden Modelle, die bei Urban Arrow, Cargo Cycling und Kettler Alu Rad vom Band laufen. Lösungen, die noch robuster und straßentauglicher sind.

Eine ziemliche Herausforderung, und genau deshalb hat DOCKR sein eigenes Produktentwicklungsteam ins Leben gerufen. „Das ist etwas ganz anderes als eine Online-Bestellung“, stellt Jurjen klar. „Man muss bei den Herstellern vorbeischauen, Produktionsformen anfertigen und alles muss in jeder Phase des Prozesses überprüft werden, visuell und anderweitig. Da sind so viele kleine Teile, so viele Details. Nur so erhalten wir Qualität, läuft alles richtig und ist sicher, dass wir das gewünschte Endprodukt erhalten.“

Boxen

Die erste Sache, mit der sich das Team beschäftigte, waren die Transportboxen. „Warum wir mit den Boxen angefangen haben? Das war aus der Not heraus“, erklärt Jurjen. „Für unsere Urban Arrow Ls hatten wir zunächst Boxen im Flightcase-Stil, doch leider verformen sich Aluminiumboxen bei einem Zusammenstoß dauerhaft. Sie sind arbeitsintensiv und teuer in der Reparatur, weshalb wir viele der Boxen abschreiben mussten. Das ist weder finanziell noch ökologisch nachhaltig. Unser Wunsch war es, dass die Räder so lange wie möglich halten.“

Heute werden die Transportboxen von DOCKR aus mehreren Schichten geklebten Polyurethanschaums gefertigt. „Dieser verformt sich bei einem Zusammenstoß nur kurz und nimmt dann wieder seine ursprüngliche Form an“, so Jurjen. „Er absorbiert den Aufprall und verhindert so schwere Verletzungen und Totalschäden.“ Das Team hat sogar eigens ein spezielles Scharnier für die Box entwickelte – ein teures Detail. Doch auf lange Sicht musste es perfekt funktionieren – auch wenn die Box 200 Mal am Tag, 7 Tage die Woche geöffnet und geschlossen wird.

Im November 2021 kündigte DOCKR die Aufnahme von Kettler Alu-Rad Lastenrädern in seine Flotte an. Das Entwicklungsteam war da schon mit einer DOCKR-Transportbox für dieses Modell beschäftigt. „Das, was wir bei der Entwicklung unserer Urban Arrow L Box gelernt haben, haben wir beim Kettler angewandt“, so Jurjen. „Und es gibt eine Menge weiterer Innovationen. So läuft jetzt beispielsweise das Wasser besser von der Box ab, damit es nicht in die Box eindringt und die Ladung beschädigt. Außerdem haben wir die Position des Schlosses überarbeitet, um es ergonomischer zu machen und vor Wasser zu schützen.“

Beleuchtung

Woran das Team außerdem arbeitet, ist die Beleuchtung. „Wir sind gerade in der Endphase der Entwicklung eines Lichtpakets, und zwar nicht nur mit Vorder- und Rücklicht, sondern auch mit Blinkern. Die Idee dahinter ist einfach: Beim Blinken bleiben die Hände so am Lenker. Auf einem schwer beladenen Lastenrad ist das sehr zu empfehlen. Denn mitten im Verkehr einhändig lenken zu müssen, ist keine gute Idee, oder?“

Dafür, dass die Lampen auf der Box montiert sind, gibt es eine einfache Erklärung. „In der Regel wird die Beleuchtung am Fahrradrahmen montiert, doch der ist nicht so breit wie das Fahrzeug“, so Jurjen. „Da die Box überdurchschnittlich breit ist, kann sie darauf montiert werden und ist trotzdem von allen Seiten sichtbar. Und da wir die Beleuchtung gleichzeitig mit der Box entwickelt haben, federt sie bei einem Zusammenstoß mit der Box zurück. Das ist etwas, das mich wirklich begeistert, denn das heißt, dass keine mehr Lampen mehr abbrechen und repariert werden müssen. Die Beleuchtung ist flexibel, was zwar nicht direkt die Kosten senkt, aber die Sicherheit erhöht und den Leuten – ganz wichtig – ein Gefühl der Sicherheit gibt.“

Jurjen unterstreicht, dass die Lampen sowohl tagsüber als auch nachts nützlich sind. „Auch tagsüber tragen sie zur Sichtbarkeit bei, und die Vorder- und Rücklichter blenden nachts nicht.“

Komponenten mit besseren Spezifikationen

Ein anderes, großes Gebiet, auf dem sich DOCKR-Räder von den Werksmodellen unterscheiden, sind die Komponenten – viele davon sind hochwertiger spezifiziert. „Da alle Fahrzeuge unserer Flotte uns gehören, ist die Kontrolle der Gesamtbetriebskosten für uns von grundlegender Bedeutung“, so Jurjen. „Wir ziehen also einen Nutzen daraus, wenn unsere Teile hochwertiger sind als der Standard.“

Der Grund? Die Räder von DOCKR werden anders genutzt. Viel intensiver. „In der Regel werden unsere Räder an jedem Tag der Woche in drei Schichten eingesetzt. Der Unterschied zwischen dem, was die Räder von DOCKR aushalten müssen, und der Nutzung von Lastenrädern durch Familien oder Unternehmen, wo sie weniger intensiv genutzt werden, ist enorm.“

„Wir sind mit unseren Fahrzeugherstellern ständig im Gespräch, was oft darin resultiert, dass nicht nur wir eine bessere Spezifikation erhalten, sondern dass Hersteller die Spezifikation – aufgrund der Funktionsweise von Lieferketten in der Fahrradindustrie – dann für alle Kunden verbessern. Wenn wir beispielsweise um schrittweise Änderungen bitten, wie die Verbesserung einer Kugellenkung oder eines Lenkkopfes, oder andere Einzelteile fordern, werden einige dieser Änderungen in die Standardspezifikation übernommen.“

„Wir haben einen großen Fuhrpark, weshalb wir Muster oft besser – oder zumindest anders – erkennen als die Hersteller selbst. Geben wir ihnen dieses Feedback, profitieren alle davon. Das Gleiche gilt für Design-Verbesserungen, die kürzere, einfachere Wartungsintervalle zur Folge haben. Da Hersteller ihre Räder nicht selbst warten, ist es logisch, dass das nicht ganz oben auf ihrer Prioritätenliste steht. Für DOCKR aber ist es von größter Bedeutung. Wir nutzen daher unsere enge Beziehung zu den Herstellern, um dafür zu sorgen, dass sich bei Fahrzeugen der Fokus vom ersten Konzept an auf eine wartungsfreundliche Konstruktion richtet.“

Welche Teile müssen am häufigsten ausgetauscht werden? „Abgenutzte Bremsbeläge und Reifen. Bei diesen Dingen tendieren wir zum Einsatz robusterer Teile, manchmal sogar Teile von Motorrädern. Was eigentlich ganz sinnvoll ist, wenn man darüber nachdenkt, denn bei einer vollen Ladung sind große Kräfte im Spiel.“

Fazit

Es ist ganz klar, dass Kunden von DOCKR – und die Kunden dieser Kunden – sich im Zuge der Entwicklungen von Jurjen und seinen Kollegen auf eine reibungslosere Benutzererfahrung freuen können. All dies erleichtert den Wechsel von umweltschädlichen Fahrzeugen auf sauberere Alternativen. Doch das Team steht nicht still – Jurjen denkt schon über den nächsten Schritt nach.

„Ich denke, dass unsere Box aktuell nur in dem Sinne nachhaltig ist, dass sie langlebig ist und Stößen standhält. Doch ich möchte sie auch im ökologischen Sinne nachhaltiger gestalten. Im Hinblick auf das Ende der Produktlebensdauer. Wir leben in einer wirklich interessanten Zeit, in der viele neue Materialien entwickelt werden. Ließe sich die Box vielleicht sogar biobasiert herstellen – bei gleicher Funktionalität?“

Die Zukunft wird es zeigen. Eines allerdings ist jetzt schon sicher: DOCKR wird mit seinen Innovationen auch weiterhin die Grenzen des Machbaren verschieben, und davon profitieren am Ende wir alle.

Durch Tom Parr vom International Cargo Bike Festival